Die nächste Tour führte uns ein gutes Stück zurück in die chilenische Geschichte. Der Ort Pisagua liegt ca. 130km nördlich von Iquique und ist mit öffentlichen Bussen nicht zu erreichen, daher haben wir eine Tour gebucht. Das diese den Schwerpunkt auf den, aus Sicht der Chilenen, so „glorreichen Salpeterkrieg“ aus dem 19.Jahrhundert legte (Chile kämpfte damals im „Guerra del Pacífico“ gegen Peru und Bolivien um das Atacama-Territorium und somit um die Bodenschätze und gewann 1883), war uns vorher nicht bewußt. Wir hatten über Pisagua nur im Zusammenhang mit der Militärdiktatur Pinochets gelesen.
Also ging es mit der kleinen Tourgruppe zunächst nach Tarapacá, einem kleinen Ort im Hinterland, an dem eine bedeutende Landschlacht stattgefunden hat. Die Armeedenkmäler haben wir uns fotografisch erspart. Der Ort selbst wurde bei einem Erdbeben in den neunziger Jahren sehr zerstört und der vollständige Wiederaufbau der Kirche dauerte bis 2005. Der Ort wirkt total verlassen.
Die Schule ist zu, fast keine Menschenseele zu sehen. Wir erfahren, dass die Frauen heute alle nach Iquique gefahren sind, es ist Zahltag und die meisten Bewohner arbeiten in den umliegenden Minen oder in der Landwirtschaft der Oase. Auch die Lehrerin holt sich ihr Geld in Iquique, daher ist heute keine Schule. So unterschiedlich kann es in einem Land zugehen.
Weiter ging es durch die Wüste zum „Gigante de Atacama“, zu dem eine Schotterpiste führt. Und heute bekommen wir noch eindrücklicher als gestern mit, dass die Atacama-Wüste eine der größten Wüstenregionen der Welt ist. Man fährt und fährt und rechts und links bietet sich einem immer das gleiche Bild. Von den Saliteras umgewühlte Erde, Kilometer um Kilometer. Dann wieder ein langer Abschnitt Sand und Salz, wieder ein Schild, das auf eine ehemalige Salitera hinweist, wieder kilometerweise umgepflügte Erde und Gestein. Dass es im Salpeterkrieg um die wirtschaftliche Ausbeutung der Bodenschätze ging, wird bei dieser Tour nicht angesprochen.
Nun zum Gigante: es handelt sich um eine Geoglyphe, die mit einer Größe von ca. 86 Metern als bisher größte „menschliche“ Darstellung gilt und die nach wissenschaftlichen Schätzungen um 1000-1400 n.Chr. entstanden sind. Wahrscheinlich stellt sie einen indianischen Herrscher oder eine Gottheit dar (Maske und Federschmuck kann man mit etwas Phantasie erkennen). Hunderte von Geoglyphen sind hier in Nordchile zu finden. Häufig Symbole (Sonnen, Kreise und andere geometrische Formen und Tiere). Man vermutet, dass sie als Wegweiser dienten und schon damals Hinweise auf Bodenschätz, vor allem Wasser, gaben. Entschlüsselt sind sie nicht.
Nach einer Mittagspause in Huará ging es dann weiter nach Pisagua. Über vierzig Kilometer von der Panamericana Richtung Küste. Der Ort war einst einer der wichtigsten Salpeterhäfen, doch nach Zusammenbruch des Salpetermarktes wurde es bereits in den 40er Jahren erstmalig als Gefangenenkolonie genutzt, da aus dieser Ödnis niemand fliehen konnte. Im Pazifikkrieg landeten hier die chilenischen Truppen und stürmten die Berge, von dieser Vergangenheit erzählt ein riesiges, beflaggtes Ehrenmal (und auch der ältere Tourguide) nicht weit vom Ort an der Küste.
Von der düsteren Geschichte während der Militärdiktatur erfährt man im Ort nur etwas über ein Wandbild. Das Mahnmal für die Opfer ist erst einige Kilometer am Ende des Küstenweges neben dem uralten Friedhof zu finden. Wenn wir nicht vorher gelesen hätten, dass das alte, noch aus der Salpeterzeit stammende, ach so glamouröse Theater als Frauen- und das alte Administrations-gebäude als Männergefängnis benutzt wurden, hätten wir davon leider nichts erfahren.
Dutzende der Pinochet-Gegner wurden im Herbst 1973 neben dem alten Friedhof hingerichtet und erst in den neunziger Jahren wurden die Massengräber entdeckt. Doch viele bleiben bis heute verschwunden. Pinochet war vor seinem Putsch Militärgouverneur von Iquique und dies Lager wurde als eines der ersten errichtet.
Resümee der Tour: So wie in vielen anderen Ländern der Welt wird auch in Chile gerne und häufig an die „glorreiche“ Vergangenheit erinnert. Die dunklen Seiten werden eher ausgeblendet, heute von unserem Tourguide und auch von den mitreisenden chilenischen Pensionären. So erscheint es uns, aber als Gast in diesem Land „verkneifen“ wir es uns, darüber mit ihnen zu diskutieren.